- Logo der Serie
Vom Himmel geschickt
Der Amerikaner Galen Cole schildert seine Kriegserlebnisse in Rinkerode
RINKERODE  Der Amerikaner Galen Cole aus Bangor im US-Bundesstaat Maine ist heute 90 Jahre alt. Nach über 70 Jahren kann er sich trotzdem noch genau an seine Begegnung mit „Grandmother“ Oma Klara Hagemann am 2. April 1945 erinnern. Und diese Begegnung hat ihm, vor allem aber seinem schwer verletzten Kameraden Cliff Lamb womöglich das Leben gerettet.
-         Wiedersehen  Galen Cole (Mi) besucht seit
-         1966 regelmäßig die Familie Hagemann, bei der er 1945
-         Hilfe gefunden hatte.
Galen Cole, damals gerade 19 Jahre alt, gehörte der fünften „Amored Division“ (Panzerdivision) der Amerikaner an. Die Kampfeinheit war Karfreitag 1945 auf dem Weg von Rinkerode über Albersloh nach Wolbeck. Auf „einer langen geraden Straße“ zwischen Albersloh und Wolbeck durchschlug ein aus dem Hinterhalt abgefeuertes Geschoss („88 Millimeter-Geschütz“) von Restgruppen der deutschen Wehrmacht die Windschutzscheibe des Halbkettenfahrzeuges der Amerikaner auf der Beifahrerseite. Dabei wurden alle fünf auf dieser Seite sitzenden Soldaten getötet. Galen Cole und sein Freund Cliff Lamb hatten Glück: Sie saßen auf der anderen Seite des Fahrzeugs. Durch die Wucht des Aufpralls wurden sie aus dem Fahrzeug geschleudert und landeten verletzt im Straßengraben.
Und dabei hatte Galen Cole noch Glück im Unglück, berichtet er in seiner im Jahr 1996 erschienen Autobiografie: „Ein verwundeter Soldat aus unserer Einheit war nach seiner Genesung zu uns zurückgekehrt. Es sagte zu mir: ,Cole, es fällt mir schwer, dir das zu sagen – aber der Sitz, auf dem du sitzt, war meiner während eines Gefechts in Frankreich. Ich bin ein bisschen abergläubisch, es ist sozusagen mein Glückssitz, und ich möchte ihn für den Rest des Krieges wieder haben.“ Ich habe ihm dann sofort seinen Sitz im Panzer wieder gegeben und mich dann auf die andere Seite des Fahrzeugs gesetzt. Und das hat mir das Leben gerettet, leider meinem Kameraden aber auch das Leben gekostet.“
Die verwundeten Galen Cole und Cliff Lamb wurden dann mit einem Jeep zu einer von den Amerikanern eingerichteten Krankenstation auf dem Bauernhof Hagemann gebracht. Annette Buxtrup, geborene Hagemann, kann sich noch an Erzählungen ihrer Eltern erinnern, wonach die Amerikaner den kompletten Hof beschlagnahmt hatten. „Unsere Oma musste mit ihren drei Töchtern auf dem Dachboden wohnen, denn die Amerikaner hatten sämtliche Zimmer des Wohnhauses für ihre Verwundeten genutzt“, erinnert sich Annette Buxtrup. Die Töchter hatten ziemlichen Respekt vor den Amis und versteckten sich. „Nur unsere Oma Klara hatte keine Angst vor den Amerikanern. Sie hat tatkräftig mitgeholfen, die Verwundeten zu versorgen“, weiß Annette Buxtrup aus Erzählungen ihrer Eltern zu berichten.
- Großmutter Klara Hagemann  kümmerte sich auf dem Hof
- um die verletzten Soldaten.
Galen Cole schreibt dann auch in seiner Autobiografie, dass auf dem Hof eine „ältere deutsche Frau lebte, die sich sehr oft in der Krankenstation aufhielt und dabei immer wieder weiße Bettlaken aus ihrem Haus holte. Diese zerriss sie in Streifen, um daraus Bandagen für die Verwundeten herzustellen. Sie half, uns die Krankenstation sauber zu halten, und versorgte die Verwundeten amerikanischen – und damit für sie ja eigentlich feindlichen Soldaten – mit ihren Bandagen“, so Galen Cole. In einer später in Amerika vor Kriegsveteranen gehaltenen Rede bezeichnete er Klara Hagemann als „german lady from heaven“ – also eine deutsche Frau, die der Himmel geschickt hat.
Laut Galen Cole verlangte Klara Hagemann kein Dankeschön. Sie sprach kein Englisch, aber sie tat all das, was getan werden musste. Da er nur für zwei Stunden in dem Notlazarett auf dem Hof Hagemann war und dann trotz der Verletzung weiter musste, hatte er keine Gelegenheit, sich bei ihr persönlich zu bedanken.
Das holte er dann im Mai 1966, also 21 Jahre später, nach. Mit seiner Ehefrau und mehreren ehemaligen Soldaten der fünften „Amored Division“ machten sie sich von Amerika aus nach Europa auf den Weg, um „ihren damaligen Weg aus dem Jahr 1945 von London über Frankreich und Luxemburg bis zur Elbe zurückzuverfolgen“. Und dabei kehrten sie natürlich auch bei der Familie Hagemann ein. Aber leider war „Grandmother“ Klara Hagemann bereits 1960 verstorben. Darüber war Galen Cole sehr traurig und erschüttert. Umso erfreuter war er, dass er ihren Sohn Theo und seine Ehefrau Elisabeth erstmalig begrüßen durfte. Der Briefverkehr zwischen den Familien Cole und Hagemann war nach dem Zweiten Weltkrieg nie abgerissen. Selbst die Sprachbarrieren wurden überwunden. Die jüngste Tochter der Hagemanns, Irmgard, war inzwischen im Englischen so fit, dass sie zwischen Vater und Mutter und den Coles dolmetschen und Briefe übersetzen konnte. „Von da an besuchte Galen Cole zusammen mit seiner Ehefrau unsere Familie alle zwei Jahre“ erinnert sich Annette Buxtrup.
Annette Buxtrup: "Nur unsere Oma Klara hatte keine Angst vor den Amerikanern."
Im Jahr 1986 hatten die Amerikaner dann gleich einen ganzen Bus gechartert. Mit insgesamt 51 Personen, alles amerikanische Veteranen und deren Familien, „fiel“ man bei den Hagemanns ein und nahm den ganzen Hof in Beschlag. Elisabeth Hagemann begrüßte Galen Cole lächelnd mit den Worten: „Sie gehören ja fast schon zur Familie und sind daher bei uns herzlich willkommen.“
Galen Cole ließ es sich bei diesem Besuch nicht nehmen, die Kühe der Familie Hagemann vom Hof zur Weide zu treiben. Er „sperrte“ dafür die Albersloher Straße, damit die Kühe gefahrlos die Straße überqueren konnten. Das machte ihm, dem inzwischen schwerreichen Amerikaner, viel Spaß.
Auch in den folgenden Jahren wurde der Kontakt mit der Familie Cole weiterhin gepflegt. Enkelin Irmgard Dirker, geborene Hagemann, die schon als junges Mädchen ihre Englischkenntnisse eingebracht hatte, war es nun, die im ständigen E-Mail-Kontakt mit der Tochter Janet stand.
Höhepunkte der inzwischen freundschaftlichen Beziehungen waren dann 1980 die Einladungen der Familie Cole an Annette Buxtrup und 2009 der gesamten Familie Dirker nach Bangor an der Ostküste Amerikas. Für mehre Wochen ging es für alle „rüber über den großen Teich“ in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, was – so Annette Buxtrup und Irmgard Dirker unisono – wirklich stimmt. „Es war unglaublich. Wir haben dort so viel erlebt. Das war einfach unvorstellbar“, sind beide heute noch begeistert von ihren Stippvisiten in Amerika.
Auch jetzt, sechs Jahre nach dem letzten Besuch in den USA, stehen die beiden Familien noch in ständigem Kontakt. „Das werden wir auch weiterhin aufrecht erhalten“, so Annette Buxtrup und Irmgard Dirker.
Quelle: Westfälische Nachrichten vom 18.07.2015, Autor: Karlheinz Mangels