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Beobachtet und bespitzelt

Mit 101 Jahren erinnert sich Elisabeth Möllenkamp noch genau an das Kriegsende

RINKERODE/ALBERSLOH   Da sitzt sie nun, Elisabeth Möllenkamp, am 1. März, ist sie 101 Jahre geworden. Ihr Ehemann ist im Alter von 102 Jahren vor zwei Jahren gestorben. Seit 1996 haben sie zusammen im Drensteinfurter Seniorenheim gelebt. „In einem Doppelzimmer.“ Und sie hat aus der gemeinsam mit ihrem Ehemann verbrachten Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg viel zu berichten.

Die Aufnahme zeigt Elisabeth Möllenkamp.
        Elisabeth Möllenkamp  lebt bereits seit 1996 im
        Malteserstift, wo sie in diesem Jahr ihren 101. Geburtstag
        feierte.
        Foto: Karlheinz Mangels

„Ich habe gerade in meiner Jugend und während des Krieges vieles erlebt, was nicht immer sehr schön war. Über vieles möchte ich auch nicht mehr sprechen. Und trotzdem habe ich immer ein Lebensmotto gehabt, wonach ich gelebt habe und inzwischen alt geworden bin: nämlich die Zufriedenheit“, erzählt die rüstige Rinkeroderin.

Obwohl im Jahr 1914 in Rinkerode geboren, erlebte sie den Zweiten Weltkrieg und auch dessen Ende in Albersloh. „Ich habe in der Gaststätte Lütkenhaus – später Fels – gearbeitet und dort auch meinen Ehemann Franz kennengelernt. Wir haben bereits im Jahr 1940 geheiratet und dann im Elternhaus meines Ehemannes in Albersloh gelebt“, erinnert sie sich gerne an die damalige Zeit zurück. „Zur Hochzeit konnte ich mir kein weißes Brautkleid leisten. Also zog ich ein gebrauchtes schwarzes Kleid an, trotzdem hat unserer glückliche Ehe über 70 Jahre gehalten“, strahlt sie jetzt noch.

Die Aufnahme zeigt Franz und Elisabeth Möllenkamp im Jahr 1940.
Geld für ein weißes Hochzeitskleis?
Nein, das gab es nicht. Deshalb
heirateten Elisabeth und Franz
Möllenkamp im Jahr 1940 in Schwarz.
Ihrem Glück hat es nicht geschadet.

Ihr Ehemann, ein gelernter Schuhmacher, war bei der Westfälischen Landes-Eisenbahn als Rangierer beschäftigt. Dort musste er während des Krieges mit vielen Kriegsgefangenen, vor allem Russen und Polen, zusammenarbeiten. Das war nicht immer einfach. „Im Dezember 1944, also kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde er noch eingezogen und nach Holland abkommandiert“, erinnert sie sich an eine weniger schöne Zeit. Nach der deutschen Kapitulation geriet ihr Ehemann dann in holländische Kriegsgefangenschaft. „Bei den Holländern hieß mein Franz immer nur ,der Münsterländer‘. Immer wenn es Sprachprobleme gab, wurde nach ,dem Münsterländer‘ gerufen, denn er konnte perfektes westfälisches Platt ,küern‘ – und das verstanden die Holländer“, berichtet Elisabeth Möllenkamp. Darum war ihr Ehemann auch nach dem Krieg auf einem holländischen Bauernhof gerne gesehen – man verstand sich, nicht nur wegen der Sprache. Bereits Mitte 1945 kehrte Franz Möllenkamp aus der holländischen Kriegsgefangenschaft in seine Heimat zurück. „Albersloh blieb im zweiten Weltkrieg von Bombenangriffen so gut wie verschont. Ich kann mich aber noch gut erinnern, dass wir aber auf der Wersebrücke gestanden haben und die nächtlichen Luftangriffe auf Münster beobachtet haben. Das war schrecklich“, blickt sie jetzt noch mit Grauen vor allem an den 10. Oktober 1943 zurück. An diesem Tag wurde die Innenstadt von Münster größtenteils zerstört und „ganz Münster brannte“. „Das werden wir alle niemals vergessen“, ist sie auch nach über 70 Jahren noch ziemlich aufgeregt.

Die Aufnahme zeigt das Wohnhaus von Franz und Elisabeth Möllenkamp (um 1900).
        Im Konilial- und Kurzwarengeschäft  ihrer Eltern - hier ein
        Foto um 1900 - wurde Elisabeth Möllenkamp im Jahr 1914
        geboren. Nach dem Umbau im Jahr 1953 zog sie dort mit
        ihrer Familie wieder ein.

Ostern 1945 kamen dann die Amerikaner auch nach Albersloh. „Die waren alle sehr nett zu uns. Kurz vor dem Einmarsch wollten ganz verbohrte Nazis noch die Brücke über die Werse sprengen um die amerikanischen Panzer aufzuhalten, so ein Quatsch“, entrüstet sich Elisabeth Möllenkamp noch heute. „Gott sei Dank haben wir denen diesen Schwachsinn ausgeredet, und sie haben es dann sein gelassen“, ist sie erleichtert.

An eine Erzählung ihres Ehemannes, die den ganzen Fanatismus vieler Menschen im Dritten Reich zeigt, erinnert sie sich noch genau: Ihr Mann hatte bei der Arbeit als Rangierer so ganz nebenbei die Behauptung aufgestellt, dass es „uns besser gehen wird, wenn wir den Krieg verlieren“. Darauf hatte ihm sein Vorgesetzter angedroht, dass er „wegen dieses Satzes weggebracht würde“. Der Vorgesetzte verzichtete dann nur deshalb auf einen Bericht, „weil wir uns schon so lange kennen“. „Daran konnte man erkennen, dass man während der Nazizeit auf jedes Wort achten musste. Auch mussten wir aufpassen, welchen Radiosender wir hörten. Alles wurde damals beobachtet und bespitzelt“, so Elisabeth Möllenkamp.

1953 zog es sie mit ihrem Mann Franz wieder zurück in ihr Geburtshaus am Rinkeroder Kirchplatz. Dort lebte sie bis 1996 mit ihrem Mann sowie mit ihrem Sohn Willi und dessen Familie.

Elisabeth Möllenkamp: "Zur Hochzeit konnte ich mir kein weißes Brautkleid leisten."


„Heute bin ich hier im Seniorenheim sehr zufrieden. Ich hoffe noch auf einige schöne Jahre“, sagt die rüstige über 100-Jährige. Und da ist es wieder, ihr Lebensmotto: Zufriedenheit.










Quelle: Westfälische Nachrichten vom 08.07.2015, Autor: Karlheinz Mangels

Elisabeth Möllenkamp berichtet aus ihren Jugendjahren zum Kriegsende 1945