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Vater in der Davert ermordet
Karl Koch wird den 17. Juni 1945 nie vergessen / Benzintanks als Paddelboote
RINKERODE   „Die Geschehnisse des zweiten Weltkrieges und die Zeit nach dem Krieg waren für mich sehr aufregend und als Kind auch teilweise spannend. Aber ein Datum wird für unsere ganze Familie immer in schrecklicher Erinnerung bleiben: Der 17. Juni 1945“, ist der heute 80jährige Rinkeroder Karl Koch auch nach über 70 Jahren immer noch tief erschüttert über die Ereignisse dieses Tages.
-         Karl Koch  hat mehrere Maschinengewehr-
-         patronen aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden.
Der 17. Juni 1945 war ein Sonntag. Karl Koch war damals 9 Jahre alt und kann sich noch daran erinnern, dass am Abend dieses Tages, „als wir Kinder schon im Bett lagen“, ein lautes Schluchzen von seiner Mutter zu hören war. „Natürlich sind wir fünf Kinder sofort in die Küche gelaufen um zu sehen, was Schreckliches passiert war. Hier fanden wir unsere weinende Mutter und unseren Rinkeroder Vikar Meinhard, der gerade die erschütternde Nachricht über die Ermordung unseres Vaters überbracht hatte“, ist Karl Koch heute noch zutiefst mitgenommen. Was war passiert?
Hubert Koch, sein 47jähriger Vater, war nach der „Unterstunde“, an diesem Sonntag zusammen mit seinem Nachbarn Bernhard Druffel, mit dem Fahrrad in die Davert gefahren. Hier hatte man eine Weide angepachtet, auf der sich einige Bullen und zwei Pferde befanden, die regelmäßig mit Wasser versorgt werden mussten. „Mein Vater hatte vor der Abfahrt meiner Mutter nur kurz zugerufen, dass er zu den Tieren in die Davert zum Wasserpumpen fahre und bald wieder zurück sei“, so Karl Koch. Doch sein Vater sollte nie mehr zurück kommen.
Nach der Versorgung der Tiere machten sich Hubert Koch und Bernhard Druffel auf den Rückweg über den Daverthauptweg. Hier versperrten auf einmal einige russische Soldaten den beiden den Weg. Sie wurden von den Soldaten mit Waffen im Anschlag aufgefordert, ihre Fahrräder abzugeben. „Mein Vater hatte ein ziemlich neues Rad und hat sich wohl geweigert, dieses abzugeben. Daraufhin haben die Russen zunächst Bernhard Druffel, der ein altes Rad hatte, weggeschickt. Bernhard Druffel hat dann nur noch einen Schuss gehört“, so Karl Koch.
- Hubert Koch  wurde am 17. Juni 1945 ermordet
- - vermutlich, weil er sein Fahrrad nicht hergeben
- wollte.
Am gleichen Tag wurde auch der Bauer Anton Jasper aus Amelsbüren, der mit seinem Kutschwagen von der Kirche kam, ermordet, wahrscheinlich von den gleichen Russen.
Bereits im Krieg und kurz nach dem Krieg hatte die Familie Koch auf ihrem Hof in der Bauernschaft Sunger schon so einiges erlebt.
„Während des Krieges konnte man immer wieder britische Flugzeuge beobachten, die über unseren Hof flogen und wahrscheinlich auf dem Weg nach Münster waren und von der deutschen Abwehr beschossen und sogar getroffen wurden“, erzählt Karl Koch. Die deutsche Abwehr befand sich ganz in der Nähe des Hofes Koch in der sogenannten Flakstellung. „Am Abend suchte die deutsche Abwehr mit riesigen Scheinwerfern den Himmel nach feindlichen Flugzeugen ab, das konnten wir von uns aus gut beobachten“, erinnert sich Karl Koch.
Wenn britische Flugzeuge getroffen wurden, konnte man vom Hof der Familie Koch aus sehen, dass schwarzer Rauch aus den Flugzeugen aufstieg und der Pilot mit dem Fallschirm absprang. Vorher warfen die Piloten jedoch noch Benzintanks ab. „Die haben wir dann eingesammelt und uns daraus Paddelboote gebaut. Damit sind wir dann beim Hochwasser des Flaggenbaches auf den überfluteten Feldern geschippert“, schmunzelt Karl Koch.
-         Karl Koch  war zum Zeitpunkt des Kriegsendes 9 Jahre alt.-
Besonders gefährlich war für die Kinder aus den Bauernschaften der Weg zur Schule, vor allem im Winter. „Gerade wenn viel Schnell gefallen war, konnten uns die Tiefflieger gut erkennen. So manches Mal sind wir auf dem Weg zur Schule in „Kaspar Dransmanns Kuhhütte“ in Deckung gegangen“, erzählt Karl Koch.
Auch vom Hof der Familie Koch aus konnte man beobachten, dass das Hauptziel der britischen Flugzeuge die Bahnstrecke war. So wurde zwischen Rinkerode und dem Gohfeld ein auf den Gleisen stehender Tankzug mit Schmieröl getroffen und das ganze Öl floss in den Bahnseitengraben. „Hier haben sich dann viele Bauern mit Öl versorgt. Ganze Milchkannen mit Öl wurden auf die Schnelle gefüllt. Dabei ging der Blick immer ängstlich zum Himmel, denn man war ja nie vor Tieffliegern sicher“, erinnert sich Karl Koch.
Nach dem Krieg machte auch die Familie Koch Bekanntschaft mit belgischen Soldaten. „Die belgischen Besatzer haben auch bei uns nach deutschen Soldaten gesucht. Mein Vater hat sie jedoch resolut vom Hof verwiesen. Daraufhin haben sie unseren Hofhund erschossen und zudem noch jede Menge Bettlaken und Decken mitgehen lassen. Aber den von uns versteckten deutschen Soldaten haben sie nicht gefunden. Der hat sich aber anschließend sofort aus dem Staub gemacht“, erinnert sich der damals 9jährige Karl Koch.
Ganz anders wurde die Situation dann, als die Amerikaner in Rinkerode eintrafen. „Die amerikanischen Soldaten haben sogar abends die Bauernhöfe vor Überfällen von inzwischen freigewordenen und herumstreunenden russischen Zwangsarbeitern bewacht. Aber die Bauern haben sich auch selbst zu helfen gewusst und eigene Patrouillen zur Bewachung ihrer Höfe aufgestellt“, weis Karl Koch zu berichten.
Auch heute, über 70 Jahre nach dem Ende des Krieges, hat Karl Koch in seinem Garten an der Annettestraße noch Beweise über den Beschuss der Bahnlinie gefunden.
Beim Kartoffelernten hat er mehrere Patronen aus Maschinengewehren gefunden. „Die stammen aus den Bordwaffen der Tiefflieger und sind über 70 Jahre alt“, ist er sich ganz sicher und lächelt und zeigt stolz die inzwischen verrostete Munition.
Quelle: Westfälische Nachrichten vom 15.09.2015, Autor: Karlheinz Mangels